Elektrisches Monitoring der Fällung von Metalloxid-Nanopartikeln in keramischen Mikroreaktoren in nahe- und überkritischem Wasser
Das Ziel des beantragten Vorhabens ist der grundlegende Erkenntnisgewinn über die chemischen Mechanismen, die Phasenübergangsphänomene sowie die Keimbildungs- und Wachstumsvorgänge von metalloxidischen Nanopartikeln durch Einsatz miniaturisierter Sensoren in Verbindung mit (weiterentwickelten) Simulationsmethoden in reaktiven Strömungssystemen. Zum Erreichen dieses Zieles ist es notwendig, einen hinsichtlich Sensorik, Strömungsführung und Verweilzeit optimierten Mikroreaktor zur Synthese von metalloxidischen Nanopartikeln in nahe- / überkritischem Wasser zu realisieren. Hierzu muss das Mikroreaktionssystem dahingehend optimiert werden, dass das System mit einer Vielzahl von Sensoren bestückt wird, so dass mittels elektrochemischer Impedanzspektroskopie (EIS): a) der Vermischungsvorgang, b) der Reaktionsverlauf in (mehrphasigen) Strömungen und c) die Partikelbildung und das -wachstum orts- und zeitaufgelöst verfolgt werden kann.
Die Implementierung der Sensoren in den Reaktor, die Integration in den Versuchsstand sowie die Datenanalyse werden durch die AGen Türk und Hanemann durchgeführt. Die Simulation der thermo- und fluiddynamischen Eigenschaften bezüglich der Vermischung sowie die Berechnung der zu erwartenden Sensorsignale wird in der AG Greiner durchgeführt. Die enge Verzahnung der verschiedenen Aspekte „Partikelsynthese, Mikroreaktordesign (MR), Sensorintegration, Simulation der Partikelbildung (PB) und des Partikelwachstums (PW)“ ist in folgendem Schema aufgezeigt:
Partikelsynthese
Ein Schwerpunkt der bisherigen Arbeiten bildete die Konzeption, der Aufbau, die Inbetriebnahme und die Optimierung einer Versuchsanlage zur kontinuierlichen hydrothermalen Synthese (CHTS) von metalloxidischen Nanopartikeln unter nahe- und überkritischen Bedingungen. In diesem Arbeitspaket wurde die CHTS-Anlage mit einem funktionierenden Mess-, Regel- und Datenerfassungssystem unter Berücksichtigung der speziellen und notwendigen Vorsichts- und Sicherheitsmaßnahmen, die zum Betreiben von Anlagen unter hoher Temperatur und hohem Druck (Tmax ≤ 723 K und pmax ≤ 40 MPa) notwendig sind, aufgebaut. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf folgende Aspekte gerichtet:
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Pulsationsarmer Betrieb der Anlage unter allen Prozessbedingungen, insbesondere auch bei hohen Gesamtmassenströmen von bis zu 80 g/min.
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Einfache und flexible Kombination verschiedener Mischer- und Reaktorgeometrien. Dies ermöglicht bei den für die zweite Förderperiode vorgesehenen Arbeiten das Vermischen bzw. die Zumischung von unterschiedlichen Eduktströmen an verschiedenen Positionen vor und nach der eigentlichen Reaktionszone.
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Möglichkeit der Integration der EIS-Messtechnik, ausgehend von der Eduktlösung an allen relevanten Positionen zur Bestimmung der Salzkonzentration und somit des lokalen (an verschiedenen Stellen in der Anlage) und finalen Umsatzes (in der Produktlösung).
Abb. 1 zeigt die schematische Darstellung der in der AG Türk aufgebauten Anlage zur Partikelsynthese mittels CHTS. Diese Versuchsanlage ermöglicht Untersuchungen unter den folgenden Prozessbedingungen: 300 K ≤ T ≤ 723 K, 0,1 MPa ≤ p ≤ 40 MPa und 25 g/min ≤ ṁ3 ≤ 80 g/min. Dabei liegt das Mischungsverhältnis (= kalter Metallsalzstrom / heißer Wasserstrom) im Bereich zwischen 0,05 und 0,4, während die Salzkonzentration, cSalz, je nach Art des Salzes zwischen 0,00125 und 0,15 mol/dm3 beträgt.
Abb. 1: Schematische Darstellung der CHTS-Anlage zur Partikelsynthese und Verlauf des Gesamtmassenstroms über der Zeit. |
Aktuell können bereits sehr kurze Verweilzeiten (0,5 s ≤ τ ≤ 1,5 s) im Mischer realisiert werden; dies ermöglicht Untersuchungen zum Einfluss des Gesamtmassenstroms und damit der Re-Zahl bzw. der Verweilzeit auf den Partikelbildungsprozess. Im rechten Teil von Abb. 1 ist für typische Prozessbedingungen der Verlauf des Gesamtmassenstroms (25 g/min ≤ ṁ3 ≤ 45 g/min) in Abhängigkeit von der Versuchsdauer dargestellt. Generell kann festgestellt werden, dass die CHTS-Anlage in dem für die Synthese metalloxidischer Nanopartikel wichtigen Zustandsbereich (485 K ≤ T3 ≤ 673 K; 25 MPa ≤ p ≤ 40 MPa) über einen Zeitraum von mehr als 100 Minuten mit hoher Stabilität, d.h. stationär, betrieben werden kann. So betragen die maximalen Schwankungen der einzelnen Prozessparameter: Δp/p ≤ ±1,5%, ΔT/T ≤ ±0,3% und Δṁ3/ṁ3 ≤ ±2%.
Basierend auf den bisher erzielten eigenen Ergebnissen sowie denen aus der Arbeitsgruppe von Tad Adschiri kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Eigenschaften der mittels CHTS hergestellten CeO2-Nanopartikel über die Prozessparameter Druck, Mischtemperatur, Salzart (Ce(NO3)3 vs. Ce2(SO4)3) und Salzkonzentration wie folgt kontrolliert werden können:
Durch die Temperaturerhöhung von 573 K auf 673 K wird die Bildung kleiner Partikel durch zwei unterschiedliche Effekte begünstigt: Zunächst resultiert die Temperaturerhöhung in einer starken Reduzierung der Dielektrizitätskonstante; dies führt einerseits zu einer höheren Reaktionsgeschwindigkeit und andererseits zu einer geringeren Salzlöslichkeit und somit zu einer höheren Übersättigung der wässrigen Lösung. Beide Effekte führen zur bevorzugten Bildung von kleinen Partikeln. Dies ist auch bei der Erhöhung des Gesamtmassenstromes ṁ3 und der damit einhergehenden Verringerung der Verweilzeit im System zu erkennen. Des Weiteren spielt die Wahl des verwendeten Salzes ebenso eine entscheidende Rolle. Die Verwendung von Ce2(SO4)3 anstelle von Ce(NO3)3 als Edukt, bei sonst gleichen Prozessbedingungen, führt ebenfalls zur Bildung kleinerer Partikel. Eine Erhöhung der Salzkonzentration in der Eduktlösung, bedingt durch die höheren Keimbildungsraten, führt allerdings zur Bildung größerer Partikel.
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Abb. 2: Einfluss der Re-Zahl auf die mittlere Partikelgröße. |
Design
In enger Abstimmung mit den Projektpartnern wurde ein Reaktordesign entwickelt, welches die notwendigen Anforderungen hinsichtlich Nanopartikelsynthese, der Fluiddynamik, aber auch der Herstellbarkeit der entsprechenden Negativstruktur für die Formgebung mittels mechanischer Mikrofertigung bzw. verschiedener Verfahren des 3D-Drucks erlaubt. Abschließend muss der Formeinsatz die Abformung mittels keramischem Pulverspritzguss defektfreier Bauteile erlauben. Neben der eigentlichen Mischerstruktur (T-Struktur) enthält der Formeinsatz noch Hilfsstrukturen, um die Integration von Elektroden für die Elektrochemische Impedanzspektroskopie (EIS) zur Verfolgung der Nanopartikelsynthese zu ermöglichen. Exemplarisch sind die CAD-Zeichnungen des Reaktoraufbaus und die entsprechenden Formeinsatzstrukturen zu sehen (Abb. 3). Bei der Auslegung der Formeinsätze ist jedoch zu beachten, dass alle Maße auf dem Formeinsatz größer sein müssen als die Endmaße im Reaktor, um den Sinterschrumpf der keramischen Formmasse zu kompensieren. Dieser hängt vor allem vom keramischen Füllgrad der eingesetzten Formmasse ab. Im vorliegenden Fall bedeutet dies konkret, dass das abgeformte Bauteil eine Breite von 1,8 mm aufweisen muss, um die gewünschten Kanalbreiten im gesinterten Bauteil von 1,6 mm zu erreichen.
Abb. 3: Links: CAD Reaktordesign, Mitte und rechts: CAD Formeinsätze zur Replikation. |
Reaktorfertigung
Das Pulverspritzgießen ist seit vielen Jahren ein etabliertes Verfahren, um kostengünstig und in großen Stückzahlen keramische oder metallische Bauteile unterschiedlicher Größe endkonturnah herzustellen und wurde in den letzten 10 Jahren in Richtung immer kleinerer Bauteile, signifikant erhöhter Präzision und erreichbarer minimaler Strukturgrößen deutlich unter 1 mm weiterentwickelt. Derzeit sind im Forschungsbetrieb laterale Dimensionen kleiner 10 µm, kleinste strukturelle Details < 3 µm und Maßhaltigkeiten ± 0,3% erreichbar. Dies ist allerdings nur möglich, wenn an allen Einzelschritten der Prozesskette Formmasseherstellung, Replikation, Entbindern und Sintern umfangreiche Forschungsarbeiten durchgeführt werden. So werden mit der Formmasseherstellung die Grundlagen für eine erfolgreiche Abformung und das thermische Postprozessieren gelegt. Bei der Wahl der Formmassebestandteile (Pulver, Binder, Additive) ist darauf zu achten, dass keinerlei Phasenseparation unter hoher Scherbelastung auftritt. Dies konnte auch mittels Simulationsrechnungen durch die AG Greiner in der Vergangenheit nachgebildet werden. Um die Fertigungszeit zu reduzieren, wurden für Designstudien zuerst Kunststoffformeinsätze mittels 3D-Druck (Fused Deposition Modeling, FDM bzw. 3D-InkJet/PolyJet-Verfahren) in ABS (Acryl-Butadien-Styrol) bzw. in einem Duroplast realisiert und Testabformungen im Pulverspritzguss mit einer Formmasse, welche 55Vol% Aluminiumoxid enthielt. Nach erfolgreicher Validierung wurden Formwerkzeuge aus Messing mikromechanisch gefertigt (Abb. 4).
Abb. 4: Links: Formeinsätze aus ABS, Mitte: ABS-Formeinsatz integriert in Spritzgießwerkzeug, rechts: Messingformeinsatz. |
Nach der Abformung, dem sich anschließendem Entbindern und Sintern wurden die Reaktorhälften unter Zuhilfenahme von Glaslot sintergefügt und über einen Adapter für den Einbau in die CHTS-Anlage vorbereitet (Abb. 5).
Abb. 5: Links: Reaktorgrünlinge nach dem Abformen, Mitte: Gefügter Aluminiumoxidreaktor, rechts: gehäuster und verschlossener Reaktor. |
Sensoraufbau
Für den Aufbau des Sensors mussten Elektroden paarweise seitlich angebracht werden, dies erfolgte nach dem Sinterfügen der beiden Reaktorhälften mittels eines silberhaltigen Epoxid-2-Komponenten-Klebers. Ein schematischer Querschnitt durch den Reaktor ist in Abb. 6, links gezeigt. Die Positionierung der Elektroden ist ein Kompromiss zwischen den Anforderungen der Messtechnik und der Betriebsbedingungen des Reaktors: Aus Sicht der EIS müssen die Elektroden so nahe wie möglich an den Reaktionskanal herangeführt werden, aus Sicht der geplanten Reaktionsbedingungen (Druck bis 35 MPa, T bis 750 K) müssen die Wände möglichst massiv ausfallen, damit der Reaktor druckfest ist. Ein komplett kontaktierter keramischer Reaktor ist in Abb. 6, rechts, dargestellt.
Abb. 6: Schematischer Querschnitt durch den Reaktor (links), komplett kontaktierter keramischer Reaktor (rechts). |
Um die prinzipielle Eignung der EIS zur Detektion kleiner Salzkonzentrationen nachzuweisen, wurde anhand eines elektrisch und Fluid-kontaktiertem 3D-gedruckten Mikroreaktors aus Polyethylenterephalat (PET) die Änderung der Impedanz mit der Kochsalzkonzentration in Wasser ermittelt (Abb. 7).
Abb. 7: Links: Mittels FDM gedruckter und kontaktierter PET-Reaktor, rechts: Änderung der Impedanz als Funktion der Kochsalzkonzentration in H2O. |
Arbeitsprogramm für die zweite Phase 2020-2022
Simulation
In der nachfolgenden Abbildung wird der Ablauf der Simulation der Partikelbildung während der kontinuierlich hydrothermalen Synthese schematisch dargestellt:
Abb. 8: Schematische Darstellung der Simulation der Partikelbildung
Dabei kann diese in drei wesentliche Schritte unterteilt werden. Zuerst werden die Strömung und die Temperaturverteilung im Reaktor simuliert und charakterisiert. Anschließend werden die Reaktion und darauffolgend die Partikelbildung durch Fällung simuliert. Die Strömung und die Reaktion werden hierbei mittels eines Einphasenmodells betrachtet. Für die Fällung muss im Gegensatz ein Mehrphasenansatz verwendet werden.
Für die ersten beiden Schritte wurden studentische Vorarbeiten (wie in Abb. 8 zu erkennen) durchgeführt. Zur Charakterisierung des Strömungs- und Temperaturfeldes wurde ein realitätsnahes Modell des isolierten Mischers entwickelt. Dieses wurde anschließend mittels experimentell ermittelter Mischtemperaturen validiert. Dabei ergab sich eine maximale Abweichung der simulierten Temperaturen von 3 %. Für die danach folgende Simulation der Reaktion wurde die Gesamtreaktion des Ausgangssalzes zum Metalloxid betrachtet und die daraus erhaltenen Konzentrationsprofile interpretiert.
Anschließend erfolgt die Simulation der Partikelbildung durch Fällung des in wässriger Form vorliegenden Metalloxids zu festen metalloxidischen Nanopartikeln. Hierzu wird die Löslichkeit des Metalloxids im interessierenden Temperatur- und Druckbereich benötigt. In einem ersten Schritt werden die Keimbildungs- und Wachstumsrate als konstant angenommen, um erste, vereinfachte Partikelgrößenverteilungen zu erhalten.
Erste exemplarische Berechnungsergebnisse zur Löslichkeit von Salzen in H20 in dem für das CHTS-Verfahren interessierenden Zustandsbereich sind nachfolgend dargestellt und der Masterarbeit von M. Zürn entnommen [1].
Abb. 9: Einfluss des Modells von Sue, Arai und Adschiri [2] (SAA) und des verbesserten Modells von Helgeson, Kirkham und Flowers [3] (rHKF) auf die berechnete Gleichgewichtskonstante für die Dissoziation von NaCl in H2O |
Abb. 10: Gleichgewichtskonstanten für Na2SO4: K1 - Dissoziation, K2 - Fällung |
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Abb. 11: Gleichgewichtskonstanten für NaCl: K1 - Dissoziation, K2 - Fällung |
Abb. 12: Einfluss des Druckes auf die berechnete Salzlöslichkeit von NaCl, entsprechend der von Masoodiyeh vorgeschlagenen Methode [4] |
Funktionalisierung
Des Weiteren wurden Funktionalisierungsversuche zur Stabilisierung metalloxidischer Nanopartikel in organischen Lösemitteln durchgeführt. Hierzu dient das folgende Schema:
Abb. 13: Schema der Funktionalisierung metalloxidischer Nanopartikel in Abhängigkeit der Konzentration an organischer Säure, nach [5]
Zur Stabilisierung metalloxidischer Nanopartikel in organischen Lösemitteln werden diese während der Synthese mittels einer organischen Säure an der Oberfläche modifiziert. Hierzu werden Metallsalzlösung und organische Säure bereits vorgemischt und anschließend dem Mischer zugeführt. Abb. 13 verdeutlicht die Vorgänge während der Partikelbildung. Wird keine organische Säure zugemischt (a), findet die Partikelbildung wie gehabt statt und alle Flächen werden gleichmäßig ausgebildet. Wird ein mäßiger Anteil an organischer Säure zugemischt (b), haftet diese an der {001} – Fläche und hemmt deren Wachstum. Somit ändert sich die Morphologie der entstehenden Partikel von einer oktaedrischen Form hin zu einer Würfelform. Wird organische Säure im Überfluss zugemischt, haftet diese an allen Flächen des Partikels, was dessen Wachstum hemmt und somit zur Bildung kleinerer Partikel führt.
Mittels Oberflächenfunktionalisierung können somit metalloxidische Nanopartikel einerseits in organischen Lösemitteln stabilisiert und andererseits deren Morphologie gesteuert werden.
Literatur:
[1] M. Zürn: Theoretische Untersuchung des Löslichkeitsverhaltens von Metallsalzen in nahe- oder überkritischem Wasser mit Hilfe unterschiedlicher Modelle (2019) Masterarbeit, KIT
[2] K. Sue, T. Adschiri, K. Arai: Predictive Model for Equilibrium Constants of Aqueous Inorganic Species at Subcritical and Supercritical Conditions Ind. Eng. Chem. Res. (2002) 41, 3298-3306
[3] J.C. Tanger, H.C. Helgeson: Calculation of the thermodynamic and transport properties of aqueous species at high pressures and temperatures: revised equations of state for the standard partial molal properties of ions and electrolytes, Am. J. Sci. 288 (1988) 19-98
[4] F. Masoodiyeh, M. R. Mozdianfard, J. Karimi-Sabet: Solubility estimation of inorganic salts in supercritical water, J. Chem. Thermodyn. (2014) 260–268
[5] Zhang et al.: Colloidal Ceria Nanocrystals: A Tailor-Made Crystal Morphology in Supercritical Water, Advanced Materials 19 (2007) 203 – 206